siciliamigranti.blogspot.com ist ein italienischsprachiges Monitoringprojekt zur Situation der Flüchtlinge in Sizilien, dort finden Sie die Original-Berichte, hier finden Sie die deutschen Übersetzungen. Klicken Sie auf die auf die Namen der Schlagworte (keywords), wenn Sie bestimmte Themen suchen.

Samstag, 7. Mai 2016

Lampedusa: Kommuniqué der streikenden Migrant*innen

Von der website Askavusa­

Seit der Hotspot von Lampedusa in Betrieb genommen wurde, hat sich die Situation der Bewohner*innen im Aufnahmezentrum und auf der ganzen Insel allgemein verschlimmert. Auf die Protestaktionen der Eritreer vom Dezember letzten Jahres reagierten die Ordnungskräfte mit brutalen Repressionen - dies aber weit abseits von Fernsehkameras, Fotoobjektiven und dem Hype der Medien, die von dieser Insel immer noch hartnäckig als „Insel des Willkommens“ berichten.
Die von Protest, Entbehrungen und Überfüllung bestimmte Situation hat sich im Aufnahmezentrum von Lampedusa seit Jahrzehnten konstant gehalten und hat sich noch verschlimmert, seit das Aufnahmezentrum in einen Hotspot umgewandelt wurde.


Im Augenblick erleben wir auf der Insel von neuem eine starke Militarisierung, die jedes Mal entweder mit Hinweis auf einen Notstand oder auf Tragödien gerechtfertigt wird. Wir erleben die üblichen Laufstege, so z.B. gestern das Treffen europäischer Politiker*innen, bei dem Mare Nostrum auf europäischer Ebene und eine europäische Küstenwache vorgeschlagen wurden. Wir erleben auch die soziale Krise der Gemeinde von Lampedusa, das in diesen Jahren durch den politischen, militärischen und medialen Druck wirklich auf eine harte Probe gestellt wurde.
Wir bitten alle, dieses Kommuniqué zu verbreiten und den Appell zur Schließung des Untersuchungsgefängnisses für Migrant*innen in Lampedusa zu unterzeichnen. Die Bewohner*innen von Lampedusa bitten wir, sich aufs Neue zusammen zu schließen, um die Insel und unsere Würde zu retten und NEIN ZU SAGEN ZUR MILITARISIERUNG UND ZUM UNTERSUCHUNGSGEFÄNGNIS FÜR MIGRANT*INNEN.
Gestern Nacht haben einige von uns zusammen mit ein paar anderen engagierten Menschen die Nacht mit den streikenden „Migrant*innen“ verbracht, die das folgende Kommuniqué verfasst haben. Es gab da auch einige Spannungen, weil eine der Protestgruppen vor ein paar Tagen vandalistische Akte begangen hatte; dies ist kontraproduktiv, weil es den Blick von dem wahren Problem ablenkt und zu Hassgefühlen zwischen den Bewohner*innen von Lampedusa und den Migrant*innen führt – dies hat, wie wir in der Vergangenheit gesehen haben, der Strategie Europas gedient und ist in einigen Fällen auch bewusst herbeigeführt worden.
Kommuniqué:
Wir sind Geflüchtete / Schutzsuchende wir sind hierher gekommen, weil wir aus unseren Ländern, die sich im Kriegszustand befinden, flüchten, die Länder, aus denen wir kommen, sind Somalia, Eritrea, Darfur (Sudan), Jemen, Äthiopien. Die Behandlung, die wir im Aufnahmelager von Lampedusa erfahren, ist nicht menschenwürdig (es gab bei der erzwungenen Abnahme von digitalen Fingerabdrücken auch Fälle von Misshandlung durch die Ordnungskräfte). Wenn wir die Fingerabdrücke verweigern, werden die Mitarbeiter der Lagerverwaltung uns gegenüber aggressiv – auf verbaler und körperlicher Ebene, es gibt diskriminierende Handlungen bei der Essensvergabe, sie verbieten uns im Hof Ball zu spielen. Die Matratzen sind vollgesaugt mit Wasser, das aus den Waschräumen dringt und dies kann bei uns auch Krankheiten verursachen.
Es gibt minderjährige unbegleitete Geflüchtete, schwangere Frauen und Personen mit gesundheitlichen Problemen, die nicht angemessenen behandelt werden.
Wir sind auf Lampedusa, manche 2, manche 4 Monate.
Wenn man uns nicht die Möglichkeit gibt, weg aus diesem Gefängnis, an einen Ort zu gehen, an dem würdigere Existenzbedingungen herrschen, werden wir uns weigern, Fingerabdrücke machen zu lassen.
Wir sind hierhergekommen auf der Suche nach Freiheit, Menschlichkeit und Frieden, weil wir dachten, dies existiere in Europa!
Wir wollen nicht in ein Gefängnis gesperrt werden, obwohl wir nichts Verbrecherisches getan haben, wir wollen ein anständigeres Leben und versuchen, Schutz zu bekommen, denn wir kommen aus Situationen, die uns dazu gebracht haben, unser Leben aufs Spiel zu setzen.
Unter diesen jetzigen Bedingungen Fingerabdrücke zu geben, bedeutet, keine Wahlfreiheit mehr für unsere künftigen Pläne zu haben, wie z.B. zu unseren Verwandten oder in bereits existierende Gemeinschaften in anderen Ländern gehen zu können.
WIR WOLLEN WEG AUS LAMPEDUSA UM DEN SCHUTZ ZU BEKOMMEN DEN WIR SUCHTEN ALS WIR AUS UNSEREN HEIMATLÄNDERN GEFLÜCHTET SIND. VIELE UNTER UNS BEFINDEN SICH IM HUNGERSTREIK UND VERWEIGERN DAS TRINKEN UND SIE WERDEN NICHT AUFHÖREN, BIS UNSERE FORDERUNGEN ERFÜLLT SIND.
Collettivo Askavusa (Kollektiv Askavusa)
SENZA PAURA! (OHNE ANGST!)

Übersetzung aus dem Italienischen von Petra Schneider