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Dienstag, 8. Mai 2012

Bericht aus Cassibile


Seit Anfang Mai ist in Cassibile ein mobiler Krankenwagen der Emergency einsatzbereit. Dank eines multifunktionalen Busses, der auf der Piazza dei Caduti del Conte Rosso von montags bis freitags zwischen 16.30 und 21.30 Uhr hält, kann eine Basisgesundheitsversorgung für alle diejenigen, die sie benötigen, angeboten werden. Ein positives und leider seltenes Signal der Mitmenschlichkeit in einem Klima, das im allgemeinen von Heuchelei und Feindlichkeit geprägt ist. Das Aufnahmezentrum des italienischen Roten Kreuzes (CRI) am Autobahnkreuz von Cassibile auf der Strecke Catania-Gela füllt sich allmählich (ungefähr 120 Migranten auf insgesamt 150 Plätze), aber die beschämende Bedingung, über die Aufenthaltserlaubnis hinaus auch noch einen Arbeitsvertrag vorlegen zu müssen, ist noch nicht abgeschafft.
In Anbetracht der Tatsache, dass sich das Aufnahmezentrum schon füllen wird, wartet man ein paar Tage, aber wenn es den Migranten nicht gelingt, eine geregelte Arbeit zu finden, verlieren sie das Recht auf ihr Bett in der Unterkunft und auf das “üppige” Abendessen um 19 Uhr (fast alle beklagen sich über die geringe Menge und die schlechte Qualität des Essens und arrangieren sich, indem sie gemeinsam woanders kochen). Zu betonen ist, dass das CRI einen Zuschuss von mehr als 15 Euro am Tag für den Schlafplatz bekommt. Es ist eine Schande, dass Menschen, die nach Italien gekommen sind, um dort ihr Leben auf ehrliche Weise zu verdienen, ihre Arbeitskraft tagtäglich an skrupellose Ausbeuter verkaufen, von “hervorragenden” Sicherheitskräften kriminalisiert werden und unter der heuchlerischen Tatenlosigkeit der Behörden leiden, die eigentlich die Einhaltung der Arbeitsverträge und den gewerkschaftlichen Schutz durchsetzen sollten. Jedes Jahr versteift man sich darauf, die Opfer statt die Täter zu verfolgen.

Aus den genannten Gründen appellieren wir an die antirassistischen Organisationen, für die Unterstützung der Rechte der Migranten zu kämpfen und an die Medien, die inhumanen Arbeits- und Lebensbedingungen in den Mittelpunkt ihres Interesses zu stellen.

Lasst uns der Kampagne “Ingaggiami contra il lavoro nero“ (Stell mich ein, um gegen die Schwarzarbeit vorzugehen; eine Kampagne, die es sich zum Ziel gemacht hat, gegen Schwarzarbeit vorzugehen mittels regulärer Einstellungen) zustimmen, zu der im letzten Jahr von der Solidaritätsgruppe, die in Nardo aktiv ist, aufgerufen wurde. (In Nardo hatten die Migranten im August letzten Jahres in Eigenregie für ihre Rechte gegen das caporalato - eine illegale und inhumane Form der Vergabe von Arbeitsplätzen - gekämpft). Lasst uns zudem in den nächsten Wochen die Förderung eines Komitees unterstützen, das die Rechte der Migranten in Cassibile schützt. Lasst uns den Appell an GAS erneuern (gruppi di acquisto solidale - Gruppen, die faire Handelsprodukte kaufen), an GAP (gruppi di acquisto popolare - Einkaufsgruppen) und an die Gruppen, die sich für einen kritischen Konsum aussprechen, um die Kampagne des Erwerbs von Kartoffeln, die sozial verträglich produziert werden, zu unterstützen, von Firmen, die die Normen der Verträge respektieren. Lasst uns “soziale” Abendessen und Versammlungen organisieren und lasst uns die Buchvorstellung “Sulle pelle viva” Mitte Mai organisieren. Dieses Buch wurde gemeinsam von den Leuten verfasst, die in Nardò täglich kämpfen.

Aufruf von dem Antirassistischen Netzwerk Catania, Alfonso di Stefano

Aus dem Deutschen von Jutta Wohllaib